Beethoven 9. Symphonie
Chor begeistert mit bravouröser Leistung
Beethovens Neunte in der Stadthalle - So wurde das Monumentalwerk in Szene gesetzt
Freude, ja Freude durfte man empfinden, dass die 9. Sinfonie von Beethoven, Uraufführung in Wien 1824, zum ersten Mal in voller Länge in Biberach aufgeführt worden ist. Das monumentale Werk wurde glänzend in Szene gesetzt von der Württembergischen Philharmonie Reutlingen (Leitung Musikdirektor Andreas Winter), dem Projektchor um den Kammerchor Tritonus (Einstudierung: Klaus Brecht), dem Schulchor des Pestalozzi-Gymnasiums (Einstudierung Petra Schneider) sowie den Solisten Eva Zalenga (Sopran), Saskia Klumpp (Alt), Hubert Schmid (Tenor) und Christoph Schweizer (Bass).
Die Neunte ist ein monumentales und grandioses Werk, das mit einer Aufführungsdauer von circa 70 Minuten die damals üblichen Dimensionen einer Sinfonie bei Weitem sprengte. Alleine der entscheidende und bekannsteste vierte Satz erreicht mit seinen 25 Minuten die Länge so manch anderer Sinfonie der Wiener Klassik.
Hatte Haydn noch 104, Mozart noch 41 Sinfonien geschrieben, so waren es bekanntlich bei Beethoven "nur" noch neun. Die Sinfonie mutierte von der höfischen Unterhaltungsmusik zur wichtigsten musikalischen Form und richtete sich an alle Bürger.
Sie bereitete den Boden für die teilweise abendfüllenden Sinfonien der Romantik von Bruckner und Mahler. Andreas Winter führte anfangs kurz in das Werk ein und erläuterte seine musikgeschichtliche Bedeutung.
Das Hauptthema des letzten Satzes der 9. Sinfonie ist Millionen von Menschen bekannt, mit der Textzeile "Freude, schöner Götterfunken, Tochter aus Elysium...", der Ode "An die Freude" von Friedrich Schiller. Beethoven beschäftigte sich schon früh mit dem Gedicht und dessen Hauptaussage: "Alle Menschen werden Brüder".
Mir seinen acht Sinfonien hatte er seine musikalischen Mittel ausgereizt, um seine musikimmanenten Botschaften zu vermitteln. Diese konnte er nur noch mit einer Kombination von Vokal- und Instrumentalmusik steigern. Das führte schließlich zur 9. Sinfonie, deren Klanggewalt durch zusätzliche Instrumente noch gesteigert wurde.
Die ersten drei Sätze sind jeder für sich gesehen schon gewichtige Klangereignisse. Die epochale Neuerung aber war der vierte Satz.
Dieser beginnt zunächst etwas unstrukturiert, bis erste Anklänge an das Freudenthema zu hören sind, die nach und nach in das vom Tutti des Orchester gespielten ganze Thema übergehen. Danach wieder etwas Chaos, bis der Solo-Bass mit deutlichen und wohlklingenden Worten intoniert: "O Freunde, nicht diese Töne! Sondern lasst uns angenehmere anstimmen und freudenvollere".
Jetzt kam der Chor zum Zug und die Spannung stieg, weil die Chor-Bässe durch deutliche "Freude" - Einwürfe das Freudenthema ankündigen, das zunächst vom Solo-Bass, dann vom Chor und schließlich von allen Solisten gesungen wird. Das war eine wunderbare Einheit, die überzeugend und sängerisch glänzend gestaltet wurde.
Beim "Andante maestoso" änderte sich die Melodik und gewinnt mit den Zeilen "Brüder, überm Sternenzelt muss ein liebender Vater wohnen" einen sakralen Charakter. Der Höhepunkt des Satzes ist erreicht: Die mächtigen Männerstimmen werden von den jubelnden Frauenstimmen überhöht, die über lange Strecken mit dem zweigestrichenen Ton "a" bis an die Grenze der chorischen Tonhöhe gehen müssen. Auch die Solo-Sopranistin überstrahlte mit großen Tonhöhen das Soloquartett.
Die 80-köpfige Chor bewältigte seine Aufgabe bravourös, war sehr gut vorbereitet. Schade nur, dass der Chor, ganz hinten stehend, etwas verdeckt war. Wie aber will man es anders machen? Die Gesangssolisinnen und -solisten waren sowohl einzeln, als auch im Ensemble sehr gut zu hören und zu verstehen. Zusammen bildeten sie eine klangvolle, beeindruckende Einheit.
Die Württembergische Philharmonie spielte diese herausfordernde Sinfonie mit der immerwährenden aufmerksamen Leistung ihres Dirigenten Andreas Winter souverän, klangschön und einfühlsam. Das Orchester beendet dieses Monumentalwerk mit einem mitreißenden Prestissimo. Das Publikum im prallvollen, erweiterten Saal der Stadthalle spendete langanhaltenden begeisterten Beifall für diese noch lange nachklingende Aufführung.
Quelle: Schwäbische Zeitung im März 2023